Der befreite Rücken Eric Franklin
     

Betrachten wir Abb.1, so sehen wir eine typische schlechte Haltung: eingefallene Brust, vorgeschobenes Becken, Hohlkreuzstellung. Wie Ihnen sicher auffällt, handelt es sich hier nicht um einen lebenden Menschen, sondern um eine Schaufensterpuppe. Schaufensterpuppen stellen, modisch gesehen, ein gewisses erstrebenswertes Ideal dar. Allerdings kaum hinsichtlich Körperhaltung oder Rückengesundheit; denn könnte diese Puppe sprechen, würde sie wahrscheinlich über Rückenschmerzen jammern .....

 

 

 

 

 

 
 
 
Anhand von Abb.2a werden die Folgen dieser Situation für den Rücken gleich besser verständlich: Wir sehen zwei mittels Sprungfeder verbundene Quader; der obere stellt den Brustkorb dar, der untere das Becken. Durch die Fehlhaltung wird die Feder (= Lendenwirbelsäule) arg in Mitleidenschaft gezogen. Um diese Fehlsituation zu entschärfen und zu korrigieren, reicht es nicht, nach alter Haltungsschule die beiden Quader mit äusserlichen Massnahmen oder muskelkorsettmässig wieder übereinanderzudrücken (Abb.2b); wir müssen mehr Raum zwischen den Quadern ermöglichen sowie die gestauchte Feder sowohl strecken als auch verlängern.    
Die Feder muss verlängert werden
   
     
 

Für Länge im Lendenbereich sorgen Muskeln, welche die Wirbelsäule von allen Seiten umfassen: Hinten sind es die Rückenstrecker sowie zusätzliche kleinere Muskeln, vorne und seitlich der bekannte Lenden-Darmbein- und der viereckige Lendenmuskel. Diese Muskeln sind massgeblich an der Aufrichtung der Wirbelsäule beteiligt. Wenn wir also ( auch mental ) lernen, diese Muskeln nach unten zu verlängern, wird sich die Wirbelsäule aufrichten.

Folgender Verghleich mag helfen, diesen Vorgang besser zu verstehen:
Wir stellen uns ein einfaches Zelt vor. Die Zugzeile und den Zeltstoff vergleichen wir mit den Muskeln des Körpers, die Zeltstange ist die Wirbelsäule. Wenn wir ein Zelt aufstellen, müssen wir die Zugzeile und den Zeltüberzug nach unten ziehen und im Boden verankern. Sind Seil und Stoff (=Muskeln) auf einer Seite zu kurz, so ist die Zeltstange (=Wirbelsäule) schief. Ist der Zug zu schwach, fällt die Zeltstange um; ist der Zug zu stark, reisst der Stoff.
Abb.2c In der LEA für den Lenden-Darmbein-Muskel (s.u.) werden wir die "Seile" so verlängern, dass sie wieder ausgeglichen sind und die Wirbelsäule aufrichten können.

 
     
 
LEA für den Lenden-Darmbein-Muskel
 
     
  Muskeln, die ihre Aufrichtkraft eingebüsst haben, werden alleine durch passives Dehnen ihre Funktion noch nicht besser erfüllen. Mit anderen Worten: Der Muskel ist nicht passiv auseinanderzuziehen, sondern er soll an der Verlängerung aktiv beteiligt werden. Somit erreichen wir die Kräftigung und die Verlängerung der Muskulatur mit einer einzigen Übung. Diese Art der Dehnung nenne ich Langsame Exzentrische Aktion (LEA). Die Muskeln müssen regelrecht neu erzogen werden, so dass sie wieder fähig sind, die Wirbelsäule von beiden Seiten zu "stützen".  
  Nach einer LEA spüren die meisten Menschen eine Verlängerung der Wirbelsäule, als wäre diese aus einem "Würgegriff" befreit worden. Die LEA-Übung ist für das Lösen dieser Probleme enorm wirksam, obgleich sie zunächst ganz unscheinbar aussieht. ( Ich empfehle diese Übung täglich auszuführen, besonders aber abends.)  
     
1.

Wir stellen uns hüftbreit hin ( Beine parallel), spüren unsere Beckenhaltung und beantworten zuerst folgende Fragen:
Ist das Becken vor - (Beckenvorderseite nach vorne unten) oder rückgekippt?
Beobachten wir eine Hohlkreuzstellung oder einen Flachrücken?
Wie müssen wir das Becken bewegen, um in eine gute Haltung zu kommen?
Wie stark sind unsere Muskeln anzuspannen, um diese Wirkung zu erzielen?
Fällt das Becken sofort wieder in die alte Position zurück, kaum dass wir die entsprechenden Muskeln entspannen?

Mit Hilfe eines vorhandenen Spiegels betrachten wir unsere Beckenhaltung von der Seite.

 
   
2. Wir legen uns auf den Rücken, zwei Bälle (z.B.Aktiva) oder ein aufgerolltes Tuch sind griffbereit. Wir spüren, wie wir auf dem Boden aufliegen: Ist unser Lendenbereich vom Boden abgehoben? Können wir gar unsere Hand zwischen Boden und Rücken durchschieben? Wie liegen unsere Schultern auf?
Nun legen wir beide Bälle ( oder das aufgerollte Tuch) unter das Becken. In Ballnähe ist unser Rücken etwas abgehoben vom Boden. ( Wir drücken den Rücken nicht in den Boden, um dies zu korrigieren.) Wichtig ist, dass wir nicht in Hohlkreuzlage sind; sonst empfehle ich, das Tuch oder die Bälle noch etwas weiter nach unten Richtung Steissbein zu verschieben.
 
 
3.

Nun "sehen" wir, das der Rücken locker wie eine Hängematte nach unten sinkt. Wir legen eine Hand auf den Bauch und stellen uns vor, dass Becken und Bauchorgane ganz weich sind und auf die Wirbelsäule zurückfallen. In diesem Bereich neben der Wirbelsäule befindet sich der Lenden-Darmbein-Muskel. Unsere Vorstellung lässt diesen Muskel neben der Wirbelsäule liegen.

Unsere Hände halten jetzt locker das linke Knie fest, das rechte Bein strecken wir senkrecht in die Höhe: Indem wir ganz langsam das rechte Bein nach unten sinken lassen, stellen wir uns vor, wie der Lenden-Darmbein-Muskel nach unten fliesst - wie ein mächtiger Strom. Gleichzeitig vergegenwärtigen wir uns, dass der Rücken immer noch weiter in den Boden hineinsinkt.

Keinesfalls sollten wir durch das Senken des Beines in eine Hohlkreuzposition geraten ( auch hier gilt: den Rücken nicht willentlich nach unten drücken!).

 
  Ausserdem: Das rechte Bein sollte weder im Hüftgelenk ausgedreht werden noch zur Seite abdriften.  
4. Ganz gewiefte VisualisiererInnen stellen sich vor, dass der Muskel der Bewegung vorausfliesst, anstatt dass der Muskel vom Gewicht des Beines bzw. durch den Zug der Schwerkraft in die Länge gedehnt wird.  
     
5 Wir senken das Bein nur soweit nach unten, wie es uns bequem ist - also ohne das Becken vorzukippen und in Hohlkreuzlage zu kommen. Dann beugen wir das rechte Knie, strecken das Bein senkrecht zur Decke und wiederholen die Übung auf derselben Seite.  
   
6. Insgesamt führen wir diese Bewegung mit dem rechten Bein drei- bis viermal aus. Anschliessend entfernen wir die Bälle (oder das Tuch) und strecken dann allmählich beide Beine am Boden aus:
Spüren wir den Unterschied zwischen den Beinen?
Zwischen der rechten und linken Seite des Rückens?
Wir beugen beide Beine im Hüftgelenk und vergleichen das Gefühl:
Fühlt sich die Hüftfaltung auf der rechten Seiten leichter, lockerer, tiefer an?
 
   
7. Anschliessend übern wir den gleichen Bewegungsablauf drei- bis viermal auf der anderen Seite: Wir halten das rechte Knie und senken das linke gestreckte Bein ganz langsam nach unten. Diesselbe Vorstellung begleitet uns: Während der Lenden-Darmbein-Muskel auf der linken Seite der Wirbelsäule nach unten fliesst, visualisieren wir die Dornfortsätze der Wirbelsäule, die nach unten in den Boden schmelzen. ( siehe Abb.6)  
     
8.

Nach der Übung setzen wir uns auf:

Ist das Sitzen ( mit aufgerichtetem Becken ) jetzt einfacher ?
Zum Schluss stehen wir auf und spüren, was sich an unserer Körperhaltung geändert hat.

 
   
  Weitere Bücher von Erik Franklin und der Franklin-Methode finden Sie hier : Bücher  
  Informationen über Eric Franklin selbst bzw. Website : www.franklin-methode.ch