Gerlind O. Schweppe

 

 

BODY-MIND CENTERING® 

Körper und Geist in Balance bringen

 

Der folgende Beitrag ist eine Einführung in die Body-Mind Centering (BMC) Methode, der Bewegungsanalyse und Bewegungsschulung, die von Bonnie Bainbridge Cohen in über 30 Jahren in den USA und Europa entwickelt wurde. Die Methode führt uns zur Wahrnehmung, zum Erspüren und zum Ausdruck unseres Körpers und unseres Bewusstseins. Jede Zelle in uns ist lebendig, atmet und steht im Austausch mit allen anderen Zellen. Durch Berührung (Hands-on), Visualisierung, authentische Bewegung, Tanz, Stimme und Gespräche lernen wir unsere Körpersysteme und unsere frühkindliche Bewegungsentwicklung neu kennen.

 

BMC bietet die direkte Erfahrung aller Körpersysteme: Knochen, Organe, Flüssigkeiten, Nerven, Drüsen, Muskeln, Sinne und Stimme in der Verbindung zur frühkindlichen Bewegungsentwicklung und den verschiedenen Wahrnehmungs-, Bewegungs- und Ausdrucksmöglichkeiten aller Systeme. Dadurch können wir unserem Bewegungsfluss lauschen und folgen, ungesunde Muster und traumatische Erfahrungen erkennen, verändern und lebensunterstützende neue Muster bilden (Repatterning).

 

Ich möchte zuvor einen Einblick in das Leben von Bonnie Bainbridge Cohen geben und dann die Arbeit des BMC vorstellen.1959, im Alter von 16 Jahren unterrichtete Bonnie Bainbridge Cohen bereits an Poliomyelitis erkrankte Jugendliche und Kinder in Tanz. Bereits in dieser Zeit hat sie Anatomie, Physiologie und deren experimentelle Anwendung in der Bewegung und im Tanz interessiert und erforscht.

Sie studierte Beschäftigungstherapie und arbeitete von 1962 bis 1972 mit schwerbehinderten Kindern und Erwachsenen. Sie wurde von Karl und Bertha Bobath als neurologische Entwicklungstherapeutin ausgebildet. Sie ist anerkannt in der Laban- Bewegungsanalyse und Kestenberg-Bewegungsnotation und wurde bei André Bernard in neuromuskulärer Neuerziehung  und bei Haruchika Noguchi im Katsugen Undo

(Kunst der Schulung des Nervensystems) ausgebildet.

Die intensiven Studien in verschiedenen Tanztechniken, Tanztherapie, Yoga,

Selbstverteidigungskünsten, Stimmerziehung, Alignmenttherapie, kraniosakrale Therapie und Meditation trugen ebenfalls stark zur Entwicklung ihrer Arbeit bei.

Bonnie Bainbridge Cohen hat an vielen Universitäten, Tanzinstituten und Krankenhäusern in den USA, Europa und Japan gelehrt und unzählige Workshops im BMC in der ganzen Welt gehalten.1973 hat sie gemeinsam mit ihrem Mann Len Cohen die „School for Body-Mind Centering“ in New York City gegründet. Seit 1976 befindet sich die Schule in Amherst, Massachusetts, ca. drei Stunden nordwestlich von NYC. Zurzeit unterrichtet sie an der „School for Body-Mind Centering“ in Amherst, MA, führt eine eigene Praxis, in der sie hauptsächlich mit entwicklunggeschädigten Säuglingen und Kleinkindern arbeitet, schreibt über ihre BMC Recherche und wird ab dem Herbst 2003 in Süddeutschland ebenfalls an der europäischen „School for Body-Mind Centering“ unterrichten. 

 

Die Beschreibung, die in Kürze das Ausbildungsziel des BMC Studiums wiedergibt, lautet:

·        BMC ist eine Methode der Bewegungsanalyse und Bewegungsschulung, die von Bonnie Bainbridge Cohen entwickelt wurde.Es ist ein erfahrungsbetontes Studium, das auf anatomischen, physiologischen, psychologischen und entwicklungsgeschichtlichen Prinzipien basiert. Das Studium führt zu einem Verständnis davon, wie der Geist (mind) sich durch Bewegung im  Körper ausdrückt.

 

Oder wie Bonnie es bildhaft erklärt:

„The mind is like the wind and the body like the sand; if you want to know how the wind is blowing, you can look at the sand.

 

Das  BMC Studium beinhaltet das kognitive und experimentelle Erlernen zweier Hauptgrundlagen.

Die Körpersysteme – Knochen, Sehnen und Bänder, Muskeln, Bindegewebe, Fett, Haut, Organe, Drüsen, Nerven, Körperflüssigkeiten; Atmung und Stimme, alle Sinne und die Dynamik der Wahrnehmung.

Die Entwicklung des Menschen (Developmental Movement) – die menschliche kindliche Entwicklung und die Entwicklungsgeschichte im Tierreich sowie die Kunst der Berührung (hands on) und des Repatterning.

 

 

Körpersysteme

Knochen: Das Skelettsystem, bestehend aus Knochen und Gelenken, bietet  unterstützende Struktur. Das Skelett formt unseren Körper, bewegt uns durch den Raum und steht in Beziehung zur Schwerkraft. In der Verkörperung (Embodyment) des Skeletts erlangt unser Geist Klarheit und Struktur. Knochen unterstützen uns darin, neue Ideen zu entwickeln und diese zu artikulieren.

 

Sehnen und  Bänder: Sie setzen die Bewegungsgrenzen, führen die muskuläre Bewegung zwischen Knochen und Muskeln und dienen als Aufhängung der Organe in den thorakalen und abdominalen Körperhöhlen. Dieses System versorgt uns mit Klarheit, Effektivität und Spezialisierung für unser Alignment (Aufrichtung). In der Verkörperung des Sehnen-und Bändersystems erlangt unser Geist Klarheit, Aufmerksamkeit und Konzentration.

 

Muskeln: Sie ermöglichen ein dreidimensionales ausbalanciertes Bewegen des Skeletts im Raum. Muskelfleisch bildet die äußere dynamische Erscheinung. In der Verkörperung spüren wir Vitalität und den Ausdruck unserer Kraft, durch unsere Muskeln den Dialog zwischen Widerstand, Entschlossenheit und Auflösung.

 

Organe: Sie übernehmen alle überlebenswichtigen Funktionen unseres Körpers-Atmung, Verdauung, Entgiftung und Entleerung. Sie geben uns das Gefühl der dreidimensionalen Fülle, Körperlichkeit und Authentizität. Unsere Organe beheimaten Emotionen, Sehnsüchte und Erinnerungen an unsere persönliche Lebensgeschichte.

 

Drüsen: Sie bilden das wichtigste chemische Steuerungssystem und arbeiten eng mit dem Nervensystem zusammen. Drüsensekrete werden direkt in das Blut abgegeben und beeinflussen damit jede einzelne Körperzelle. Das endokrine System verbindet uns mit tiefer Stille, Explosionen, Gleichgewicht oder Chaos, Intuition und archetypischen Erfahrungen.

 

Nervensystem: Es ist unser elektrisches Steuerungssystem, das sehr stark mit dem endokrinen System zusammenarbeitet. Es empfängt Informationen von allen Körperzellen und gibt Signale an jede Zelle unseres Körpers weiter. Alle nervlichen Informationen werden im Rückenmark und Gehirn verarbeitet.Das Nervensystem unterstützt Aufnahmefähigkeit, Reaktion und Koordination. Es etabliert unser Denken, unsere Wahrnehmung und Unterscheidungsfähigkeit.

 

Körperflüssigkeiten: Blut, Lymphe, Gelenkflüssigkeit, Zerebrospinalflüssigkeit, Zwischenzellflüssigkeit und Zellflüssigkeit sind das Transportsystem des Körpers.

Sie unterstützen den Bewegungs- und Gedankenfluss und bilden die Basis für unser Sein, Transformation und das Gleichgewicht zwischen Aktivität und Ruhe.

 

Bindegewebe: Es kreiert ein weiches Gefäß für alle anderen Körperstrukturen, trennt und verbindet spezialisiertes Gewebe, so dass sich z.B. Organe innerhalb ihrer Grenzen bewegen können. Diese Organbewegungen unterstützen die Skelettbewegung und spiegeln gleichzeitig die innere organische Motivation. Dadurch finden wir Kontakt zu unseren tiefen Emotionen und unserem persönlichen Ausdruck.

 

Fett: Es ist potentielle Energie, die in unserem Körper gespeichert ist. Es dient als Wärmespeicher und den Nerven zur Isolierung. Synthese, Abbau, Speicherung und Verbrauch werden vom endokrinen System gesteuert. Statisches Fett wird als unbewusste Kraft gespeichert und vermittelt uns ein Gefühl der Schwere und Lethargie. Bewegtes Fett drückt unsere ureigene Kraft und Anmut aus.

 

Haut: Sie ist unsere äußerste Schicht, bedeckt den gesamten Körper und trennt uns als Individuum von der Außenwelt. Durch die Haut berühren wir die Außenwelt und werden von ihr berührt. Diese äußere Grenze zeigt uns, wie wir in Kontakt treten und uns verteidigen.

 

Alle Körpersysteme: Jedes Körpersystem trägt mit seinen ganz spezifischen Eigenschaften zum Körper-Geist-System bei. In der Gesamtheit unterstützen sie uns in unserem Sein und in unserem Ausdruck.

 

Bewegungsentwicklung (Developmental Movement)

Das Studium der Bewegungsentwicklung umfasst die ontogenetische Entwicklung (Entwicklung des Menschen von der befruchteten Eizelle bis zum geschlechtsreifen Zustand) und die evolutionäre Entwicklung im Tierreich, vom Einzeller zum Primaten.

Das BMC Developmental Movement Material beinhaltet die Arbeit mit den primitiven Reflexen, Haltungsreaktionen und den neuromuskulären Mustern. All diese automatischen Muster bilden unser Bewegungsalphabet. Die BMC-Aufteilung in sechs „Prevertebrate Movement Pattern“ und zwölf „Vertebrate Movement Pattern“, vom „zellulären Atmen“ bis zum kontralateralen Krabbeln bietet eine fundierte Technik.

Alle neuromuskulären Bewegungsmuster bilden einen Grundplan für die Entwicklung unserer Bewegung und für unsere emotionale, mentale und kreative Orientierung in uns und mit unserer Umgebung.

 

Mit dem BMC Developmental Movement-Material wurde eine weltweit angewendete Technik des Erkennens von Bewegungs-und Entwicklungsschwierigkeiten bei kranken, gesunden, jungen und alten Menschen entwickelt. Lücken im Bewegungsprozess und ihre Auswirkungen können erkannt und durch gezielte Übungen ergänzt und geheilt werden.

 

Die Kunst der Berührung und des Repatterning

BMC geht davon aus, dass wenn wir jemanden berühren, uns dieser Mensch ebenfalls berührt. Berührung (hands-on) wird damit zu einer sehr intensiven Kommunikation zwischen Menschen und lässt das alte „Therapeuten und Patienten“ Schema weit hinter sich. Während des BMC Studiums entwickelt sich eine Genauigkeit der inneren Wahrnehmungsfähigkeit und eine intensive Schulung der Hände, um die spezifischen Gewebe zu unterscheiden und wahrzunehmen. Wir kommunizieren durch verschiedene Gewebe, indem wir Fokus, Kraft, Raum und Rhythmus variieren und uns von Akzeptanz und Neugier leiten lassen.

 

Durch gleichberechtigte Resonanz zwischen Praktizierender und Klientin können wir entdecken, durch welche Körpersysteme sich die Klientin ausdrückt und welche eher im Schatten liegen. Durch diesen bewussten Vorgang können wir Körpersysteme unterstützen und andere ausruhen lassen. Damit erreichen wir eine Umstrukturierung von Mustern, die der Klientin helfen den momentanen Lebensumständen gerecht zu werden und sich von alten, nicht unterstützenden Mustern zu verabschieden.

 

Generelle Anwendungen des BMC

BMC hat eine unbegrenzte Anwendungsvielfalt. Es wird zur Zeit in folgenden Bereichen angewandt: Bewegung, Tanz, Sport, Körperarbeit, Physio-und Ergotherapie, Medizin, Psychotherapie, Entwicklungsarbeit mit Kindern, Erziehung, Stimme, Musik, visuelle Künste, Management, Meditation und andere Körper-Geist-Disziplinen. BMC bietet ein vielschichtiges theoretisches und erfahrbares Verständnis der physischen und psychologischen Aspekte von Bewegung und Verhalten. Die Einmaligkeit liegt in der Genauigkeit, mit der die verschiedenen Körpersysteme persönlich erlebt, verkörpert und integriert werden können, in der Basisarbeit der Bewegungsentwicklung und im Gebrauch einer auf dem Körper basierenden Sprache, um Bewegung und Körper-Geist-Beziehungen zu beschreiben.

 

 

Literaturquellen

Bainbridge Cohen, Bonnie: „Sensing, Feeling and Action“ (Sammlung von Artikeln und Interviews der Gründerin des BMC aus der Zeitschrift „Contact Quaterly“), Contact Editions, Northampton, MA 1988.

Hartley, Linda: „Wisdom of the Body Moving“, (Ein systematischer Wegweiser durch die BMC-Prozesse) North Atlantic Books, Berkeley, CA 1989.

Weitere Literatur und Informationen bei der Verfasserin.

 

Gerlind O. Schweppe

Erpeler Straße 27, 50939 Köln

 

 

Nachdruck aus Turnen & Sport 8/2002 mit freundlicher Genehmigung der

DGymBInfo-Redaktion, Pohl-Verlag Celle.

 

 

 

 

 

______DGymB Fortbildung _____________________________________________________

 

Body-Mind Centering ®

Basis-Seminar

Körpersysteme und ihr Ausdruck in der Bewegung

mit

Gerlind O. Schweppe

Staatlich geprüfte Gymnastiklehrerin, Tänzerin und Choreographin

Body-Mind Centering® Practitioner

 

28. und 29. September 2002 in Essen

(Pierburger Schule Essen-Kettwig)

 

·         Information und Anmeldung: DGymB LV Nordrhein-Westfalen, Bärbel Ehrig,

                                                       Walpurgisstraße 38, 45131 Essen, Telefon (02 01) 77 69 18

                                                       oder DGymB Geschäftsstelle, Telefon (0 67 82) 98 86 92.

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