Unsere
Rezeptoren - ein Reiz-Übersetzungssystem
Dr. med. Bruno Baviera Auszug: Gymness Nr. 4/ 2002 |
Einleitung
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Gymnastik, d.h. Bewegung,
bedeutet Belastung, und Belastung bedeutet auch Reizung. Reizung bedeutet
Erregung von Rezeptoren. Reizung bedeutet aber auch Auslösen von Adaptionsprozessen
bei Strukturen und somit eine Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit. Da solche Adaptionsvorgänge auch indirekt über das Nervensystem vermittelt werden, kommt seiner Aktivierung eine grosse Bedeutung zu. Je besser wir die Beziehung zwischen Reizung und Rezeptoraktivierung verstehen, umso gezielter können wir auf die diversen Aktivitäten des Nervensystems einwirken. |
Reize
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Die Umwelt reagiert auf unseren Körper in Form von Reizen. Etliche Reize können unsere Rezeptoren verarbeiten. Viele Reize kann unser System aber nicht verarbeiten, da wir keine entsprechenden Rezeptoren haben, um sie in eine Sprache des Nervensystems umzuwandeln. So sind zum Beispiel für die Wahrnehmung von Radiowellen elektrische Geräte notwendig, die für deren Umwandlung in eine für uns verständliche Sprache sorgen. Andere Reize hingegen wie : - Kräfte können von uns wahrgenommen werden. Auch ein kleines Spektrum des elektromagnetischen Feldes, so das sichtbare Licht, kann von unserem Nervensystem so verarbeitet werden, dass wir eine Wahrnehmung produzieren können. Reize haben eine bestimmte Modalität, d.h. eine bestimmte Art: - mechanisch (Druck,
Schall, Lagewechsel, Zug) Wichtig für die
Reizwirksamkeit auf unseren Körper ist die Intensität des entsprechenden
Reizes sowie seine Reizwirkungsdauer. Es kann jetzt schon
festgehalten werden, dass schnell ansteigende, hoch dosierte Reizformen,
die sich repetitiv arhythmisch folgen, meistens zu einer höheren
Reizantwort führen als niedrig dosierte, langsam einschleichende
und länger dauernde Reize. In einer passiven Physiotherapie werden vor allem mechanische und thermische Reize angewendet. In der Gymnastik und Bewegungspädagigik sind vor allem visuelle, akustische, propriozeptive und exterozeptive Reize wichtig. Auch vom Nervensystem nicht verarbeitbare Reize können eine physiologische Wirkung auf uns ausüben; so z.B. das ultraviolette Licht, das Hautzellen dazu anregt, das braune Melanin zu produzieren. |
Adäquate
Reize
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Ein Reiz ist adäquat, wenn er in seiner Art, d.h., in seiner Modalität, auf den entsprechenden Rezeptor passt. Das gilt zum Beispiel für eine Kraft- oder eine Druckeinwirkung auf einen Mechanorezeptor oder für Wärme auf einen Wärmerezeptor. Die Sternchen, die beim Schlag auf das Auge wahrgenommen werden, sind somit keine adäquate Reizantwort. Auch ist ein Schlag auf das Auge kein adäquater Reiz. Zudem muss ein Reiz an Intensität und Reizform eine Reizschwelle übersteigen, um reizwirksam zu sein. Auch muss er eine genügend lange Reizdauer aufweisen, um im Rezeptor eine Antwort zu bewirken. Adäquanz des Reizes oder adäquater Reiz bezieht sich also auf: - Reizart |
Rezeptoren
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Wenn wir Reize bewusst oder unbewusst wahrnehmen, heisst das, dass sie in eine Form, die wir verstehen können, umgewandelt wurden. Diese Aufgaben besorgen die verschiedenen Rezeptoren. Insofern sind Rezeptoren sogenannte Reizumwandler. Sie wandeln einen angepassten Reiz in sogenannte Aktionspotentialmuster um. Insbesondere unterscheiden wir: - Mechanorezeptoren Diese Aufzählung zeigt uns, wie beschränkt uns die Natur mit Rezeptorarten ausgerüstet hat. Aus der unendlichen Vielfalt der bestehenden Umweltreize können wir durch unsere Ausstattung mit nur wenigen Rezeptorarten nur weniges von der Wirklichkeit verarbeiten. Doch die Verarbeitungskapazität unseres Hirns lässt in uns wieder eine unendliche Welt entstehen. Inwieweit diese im Hirn generierte Welt der äusseren Welt entspricht, ist Inhalt andauernder philosophischer Diskussionen, geführt von weisen Menschen wie Aristoteles, Platon, Kant, Popper, Vollmer. Watzlawick usw. |
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Rezeptorverhalten
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Neben der Einschränkung
durch die Anzahl und Art unserer Rezeptoren zeigen die Rezeptoren ein Reizform-abhängiges
Verhalten. Schön wäre es, wenn jeder Reiz als analoges Signal direkt in ein digitales Aktionsmusterpotential umgesetzt würde. Doch dem ist nicht so. Das technische Idealbild eines Rezeptors wäre, dass, je stärker der Reiz wird, umso mehr Aktionspotentiale abgegeben würden. Zudem wäre eine konstante Aktionspotentialfolge bei konstant bleibendem Reiz zu erwarten. Ein solches hypothetisches Verhalten bezeichnen wir als statisches Rezeptorverhalten. Die meisten Rezeptoren zeigen jedoch ein dynamisches Verhalten. Das heisst, sie verändern ihre Aktionspotential-Frequenz umso mehr, je schneller sich die Reizintensität ändert. Bei plötzlichem Anstieg der Reizintensität geben sie viele Aktionspotentiale ab, bei langsamem Anstieg wenige. Der Begriff der Adaption beschreibt die abnehmende Erregungsfrequenz bei gleichbleibender Reizintensität. Das heisst: Bleibt während einiger Sekunden die Reizintensität konstant, nimmt die Erregungsfrequenz des Rezeptors ab. |
Viele Rezeptoren zeigen
eine so genannte Ruhefrequenz, d.h., sie geben auch Signale ab, wenn sie
nicht direkt gereizt werden. Diese Ruhefrequenz ermöglicht das Phänomen
der Rezeptorpause. Denn wird nach der Applikation eines Reizes dieser Reiz
plötzlich entfernt, entsteht eine kurze Erregungspause. D.H., während
einer kurzen Zeit sinkt die Frequenz des Rezeptor auf Null oder unter die
Ruhefrequenz. Dieses Verhalten, insbesondere dasjenige der Muskelspindeln,
wird bei verschiedenen Dehntechniken der Handlung zugrunde gelegt. Zudem nimmt die Erregungsfrequenz bei zunehmender Reizintensität logarhythmisch ab. Das heisst, ein zehnmal stärkerer Reiz führt nur zu einer Verdoppelung der Erregungsfrequenz. Ein tausendmal stärkerer Reiz führt nur zu einer Verdreifachung der Erregungsfrequenz. |
Thermorezeptoren
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In der Haut, in der Muskulatur und in vielen Organen finden sich so genannte Thermorezeptoren, die sich aufteilen in: - Wärmerezeptoren Wichtig zu wissen ist, dass wir etwa 10-mal mehr Kälterezeptoren als Wärmerezeptoren haben. Das macht Kälteeinwirkungen auf das Nervensystem effektiver als Wärmeeinwirkungen. Zudem können die Erregungen aus den Kälterezeptoren als Schmerzinformation - Übertragung auf Rückenmarksebene hemmen. Informationen aus den Kälterezeptoren haben eher einen fördernden Einfluss auf die sogenannten A-Alpha-Motoneuronen, eine Muskeltonussenkung ist zu erwarten. |
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Mechanorezeptoren
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Rezeptoren, die auf Druck, Zug oder Schwerkräfte ansprechen, sind Mechanorezeptoren. Diese finden sich vor allem in folgenden Geweben: - Haut Die Massage z.B. bedient sich vorwiegend der Mechanorezeptoren in der Haut und in der Muskulatur. So kann sie neben den lokalen Wirkungen auch Fernwirkungen erzeugen. Diese Fernwirkungen laufen zum Teil über Reflexe. Die Bewegungstherapien un die Gymnastik beeinflussen zusätzlich die Mechanorezeptoren in den Gelenkkapseln. |
Abhängigkeit
zwischen Hirn und Peripherie
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Das Zusammenspiel
der verschiedenen Rezeptorarten ist die Grundlage für die Funktionsweise
des zentralen Nervensystems. Aus diesem Grunde hat jede Einwirkung auf
die Rezeptoren eine Einwirkung auf das zentrale Nervensystem. Je besser
wir diese Zusammenhänge kennen, umso effizienter und somit zielorientierter
können wir die Arbeitsweise des zentralen Nervensystems und seine
Auswirkungen auf die Peripherie beeinflussen. Das zentrale Nervensystem verfügt über viele Filter- und Hemmsysteme. So werden nicht alle Erregungen, die vom peripheren Nervensystem herkommen, zum Gehirn weitergeleitet. Hemmung ist eine wichtige Funktion, um unsere informationsverarbeitenden Systeme nicht zu überfordern. Ausblick In einer der nächsten GYMNESS-Ausgaben werde ich versuchen, einen Einblick in die Entstehung der Aktionspotentiale zu geben. Reize, Rezeptoren, Aktionspotentialmuster, Nervensystem und die Verarbeitung der Aktionspotentialmuster im zentralen Nervensystem sind die Grundlage für unsere Wahrnehmung, sei sie bewusst oder unbewusst. Ein weiteres Produkt dieser Verarbeitungsprozesse sind unser Fühlen, unser Denken und unser Handeln. Bruno B. Baviera |