Gedankenmuster in Bewegung: Fun-Aerobic versus Krankenkassensport
"Ach, gibt`s da überhaupt einen Unterschied?" lautete mitunter die Reaktion auf Frage Nummer vier unseres Interviewbogens: Welchen Kurs würden Sie eher besuchen - den einer GymnastiklehrerIn oder einer BewegungspädagogIn? Zahlreiche Interviewpartner stellten diese durchaus nicht unwichtige Frage jedoch erst, nachdem sie sich händeringend abgemüht hatten, möglichst clevere Antworten zu liefern. Da galt es erstmal, das peinliche Nichtwissen zur Thematik zu verbergen. Als eindeutiger Favorit unter den Befragten ging die BewegungspädagogIn hervor. Zwar war vielen der Begriff unbekannt bzw. sie hatten nur beiläufig schon mal davon gehört, was jedoch bei den meisten nichts am Ansehen dieses Berufsbildes ändert. Gemeinhin sagt man ihr nach, qualifizierter und ganzheitlicher ausgebildet, seriöser und kompetenter als die GymnastiklehrerIn zu sein. Wer eher zur Letzteren tendierte, begründete dies z. B. mit Aussagen wie "Da weiß man was man hat!" Die GymnastiklehrerIn gilt tendentiell als jung, powergeladen und dynamisch. Sie animiert bzw. drangsaliert trend- und figurbewusstes Jungvolk im Kursangebot gestylter Fitness- und Wellnesszentren. Schweißtreibend und intensiv ist der Unterricht, Extremstretching wird in locker-flockigem Ambiente zu flotten Rhythmen vermittelt. Die GymnastiklehrerIn ist eine Mixture aus Showstar und Drillinstruktor. Aufgesucht wird sie vor allem zu oberflächlichem Freizeitvergnügen oder mit der Motivation sich die lang ersehnte Bikinifigur an zu trainieren. Ihr Wissen hat sie sich in kostspieligen Zertifikatskursen weniger Wochenenden angeeignet. Halten wir uns nun die Inhalte und Anliegen der Dore Jacobs- Lehre vor Augen, stimmen diese doch erschreckend wenig mit der vorherrschenden Meinung über unser Berufsbild überein - insofern wir es mit dem Begriff GymnastiklehrerIn versehen. Tun wir also besser daran, uns künftig als BewegungspädagogIn zu bezeichnen? Hierzu lautete das schlagkräftige Lieblingsargument der Befragten: "Das hört sich besser an!" Der Ausdruck Professionalität kam oftmals in einem Atemzug ins Spiel. Jüngere brachten bisweilen den Einwand:" Das klingt so nach Schule und pädagogischem Zeigefinger!" Intellektuell und auf jeden Fall so richtig gebildet kommt die BewegungspädagogIn in den Köpfen unserer Befragten daher. Zu ihrem Klientel zählen eher Senioren sowie Menschen mit physischen Leiden oder psychischen Störungen. Häufig assoziiert wurden die Begriffe Rehabilitation, Therapie und Gesundheit. Die meisten Interviewpartner waren überzeugt: Jemand, der sich PädagogIn nennen darf, hat auf jeden Fall eine qualifizierte Ausbildung bzw. ein Studium in der Tasche und ist der gemeinen GymnastiklehrIn an Kompetenz und Glaubwürdigkeit haushoch überlegen. Aufgrund ihrer ganzheitlichen Orientierung arbeitet die BewegungspädagogIn mit sanfteren, alternativen Methoden und spricht vor allem die emotionale Ebene ihrer PatientInnen an. Sie ist in erster Linie therapeutisch tätig. Sie ist reflektierter, wird medizinischen Ansprüchen gerecht, sprich: "So eine weiß wenigstens was sie tut!" Und weil das so ist, können wir uns deren Sitzungen auch ganz bequem von der Krankenkasse sponsern lassen – was bei der GymnastiklehrerIn nicht der Fall ist. Wer so viel Empathie und Professionalität mitbringt, ist dementsprechend dann auch vorzugsweise für Seniorenkurse geeignet, "Für junge Leute ist die nichts" - sagten jedenfalls einige unserer Interviewpartner der BewegungspädagogIn nach. Die Tatsache, dass die BewegungspädagogIn sich von der GymnastiklehrererIn gleichermaßen wie die Orange von der Apfelsine unterscheidet, war nur einer schwindend geringen Minderheit bewusst. Nachdem wir somit einige Verwirrung unter den Befragten gestiftet hatten, gaben wir letztlich auch gerne kund, dass es sich hierbei um synonyme Begriffe handelt. So Mancher packte sich da aufgrund des scheinbar lückenhaften Allgemeinwissens verlegen an den Kopf. Hier und da ernteten wir jedoch zum Gesprächsende sogar Dankesworte für die freundliche Aufklärungsaktion. Fazit: Um unser künftiges Berufsbild ins rechte Licht zu rücken, ist noch jede Menge Aufklärungsarbeit erforderlich. Verstaubte und einseitige Ansichten über die GymnastiklehrerIn sind ebenso zu überdenken wie der BewegungspädagogIn ein gerechtes Maß an Popularität in allen Altersschichten zu verschaffen. Immerhin ist es unsere Aufgabe Menschen in Bewegung zu bringen – und damit nicht zuletzt auch erstarrte Gedankenmustern mit neuen Impulsen zu mobilisieren! Sandra Herbrandt |